Das Edaphon

    fruchtbare Erde 'Das Edaphon'

    „Man kann jede Krankheit, jedes Leiden auf einen Vitalstoffmangel zurückführen.“ soll Chemie-Nobelpreisträger Linus Pauling sinngemäß einmal gesagt haben. Naja, ehrlich gesagt habe ich nirgends eine verlässliche Quelle für dieses Zitat finden können und es wäre wohl auch eine grobe Vereinfachung – aber eine gewisse Rolle bei der Entwicklung bestimmter Krankheitsbilder kann man diesem Faktor sicher nicht absprechen.
    Gerade im Zusammenhang mit dem Auftreten sogenannter „Zivilisationskrankheiten“ rückt eine unzureichende Nährstoffversorgung immer stärker in den Fokus.

    Erstaunlich daran ist, dass solche Krankheiten, ihr Name sagt es ja schon, gerade in der „zivilisierten“ Welt, vor allem den Industrienationen, auftreten, dort also, wo eigentlich vollkommener Überfluss herrscht.
    Wie soll es da zu einem ernährungsbedingten Mangel kommen?
    Sind beide Umstände nicht eigentlich unvereinbar?
    Oder sind es die zwei Seiten derselben Medaille?

    Fragen, derer sich die moderne Gesellschaft wird annehmen müssen, und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf ein Kriterium, das in diesem Kontext viel zu selten Erwähnung findet: Die Gesundheit der Böden, auf denen unsere Nahrungsmittel angebaut werden.

    Lebendiger Boden

    Nimm einmal einen Spaten, stich damit in den Boden einer dicht bewachsenen Wiese und schau Dir den Aushub genau an.
    Wiederhole das bei konventionellem Ackerboden.
    Ich bin sicher, Du wirst einen Unterschied feststellen!
    Dabei solltest Du im Hinterkopf haben, dass die Wiese mit großer Wahrscheinlichkeit regelmäßig zur Heugewinnung gemäht wird, sie sich also in keinem wirklich ursprünglichen Zustand befindet. Welche Beschaffenheit hätte dann erst gänzlich unberührte Erde?

    Die von der heimischen Flora bedeckte Bodenschicht wird von Bodenkundlern (Pedologen) zum Teil noch immer vorwiegend nach chemischen und physikalischen Gesichtspunkten beurteilt. Der Blick richtet sich auf die „toten“ Bestandteile, wie den pH-Wert, die Kombination an Mineralien und die Feuchtigkeitsverhältnisse. Dabei ist sie reines Leben! Es wimmelt nur so von Würmern, Insekten, Spinnen, Bodenpilzen, Flechten, Algen, Viren und Bakterien aller Art, die untereinander und mit den weitreichenden Wurzelgeflechten der Pflanzen interagieren – der Boden ist ein unvorstellbar diffiziles Ökosystem in sich.

    Für diese Lebensgemeinschaft prägte der Chemiker und Mikrobiologe Raoul H. Francé zu Beginn des letzten Jahrhunderts den noch heute geläufigen Begriff „Edaphon“ (griech. edaphos = Erdboden). Sein gleichnamiges Buch (Link Amazon) verschafft dem Leser auf beinahe poetische Art eindrucksvollen Einblick in die schier unüberschaubare Vielfalt an Bodenspezies, in Stoffkreisläufe und Bedingungen der Humusbildung und lässt ihn erstaunt zurück ob des damals bereits zur Verfügung stehenden Wissens.
    (Es ist allerdings eher geeignet als Nachschlagewerk, da sich das Buch in der zweiten Hälfte ausschließlich mit der Aufzählung größerer Bodenbewohner und deren Beschreibung befasst.)

    Das Edaphon ist maßgeblich beteiligt, eigentlich sogar hauptverantwortlich für Stofftransporte im Boden, und das führt unweigerlich zur Frage:

    Ist es möglich, dass „tote“ Böden mitverantwortlich sind für das Phänomen der Nährstoff-Unterversorgung beim Menschen?

    Okay, möglich, dass Dich das nicht automatisch zu dieser Fragestellung bringt. 🙂
    Aber dass ein Ursache-Wirkungsprinzip hier durchaus nahe liegt, zeigt folgende Betrachtung:

    Der Beginn der Nahrungskette

    Pflanze autotroph 'Das Edaphon'

    Ich lernte in der Schule noch, die Pflanze sei ein autotropher Organismus, der nur aus Licht, Wasser und Mineralien organisches Material, wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine, herstellt. Sie sei somit vollständig unabhängig von der Nahrungsbereitstellung durch andere Lebewesen und unterscheide sich dadurch von sämtlichen Mitgeschöpfen. Die Pflanze wurde gesehen als Beginn einer linearen Nahrungskette.

    Ganz so unabhängig ist die Pflanze aber keineswegs. Tatsächlich stellen die Organismen des Edaphons die von der Pflanze benötigten Nährstoffe zur Verfügung, und das hochselektiv!
    Mangelt es der Pflanze zum Beispiel an einem bestimmten Mineral, sendet sie chemische – und möglicherweise auch noch ganz anders geartete – Botschaften aus, die von den Mikroben kaskadenartig über die verschiedenen Bodenschichten hinweg nach unten weitergeleitet werden. Dort fangen dann Pilze und Bakterien an, genau diese Mineralien in gelöster, für die Pflanze verfügbarer Form nach oben zu transportieren. Die Pflanze würde von sich aus unter Umständen überhaupt nicht an den fehlenden Stoff herankommen.
    Ihre Helfer profitieren, indem sie mit Kohlenhydraten, organischen Säuren und anderen (Kohlenstoff-) Verbindungen versorgt werden.
    Eine Hand wäscht die andere.

    Sie sind es darüber hinaus auch, die als Destruenten totes organisches Material, wie herabgefallenes Laub, abgestorbene Pflanzen oder Tierkadaver, zersetzen und sie in humösen Mutterboden verwandeln. Es gibt keine Nahrungskette, sondern große Stoffkreisläufe – ohne Anfang oder Ende.

    (Natürlich ist die Pflanze autotroph in dem Sinne, dass sie auf keine organischen Energieträger angewiesen ist, sondern diese selbst aus anorganischem Material herstellt. Aber gleichzeitig wurde sie betrachtet als vollkommen autonom und das eben ist sie nicht!)

    Dieser exemplarische Ausschnitt veranschaulicht die unglaubliche Komplexität der durch die Natur erschaffenen Systeme, Organisationsstrukturen, von deren umfassendem Verständnis wir Lichtjahre entfernt sind.
    Und er macht außerdem deutlich, welch immensen Einfluss die Bodenfauna auf den Nährstoffgehalt der Pflanze haben muss, denn was sie nicht aufnimmt, kann sie konsequenterweise auch nicht anreichern.

    Und der Nährstoffgehalt der Ackerfrüchte nimmt dramatisch ab.

    Folgende Graphik spricht für sich:

    Woran kann das liegen? Vitamine, Enzyme, Proteine und viele weitere bioaktive organische Verbindungen werden von der Pflanze natürlich nur dann gebildet, wenn ihr alle erforderlichen Ausgangsstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.
    Dazu bedarf es, wie wir gesehen haben, einer gesunden Lebensgemeinschaft an Bodenorganismen und außerdem der regelmäßigen Rückführung der durch das Pflanzenwachstum entnommenen Mineralien und sonstigen Substanzen.
    Da die Pflanzen geerntet werden und nicht auf dem Boden verrotten, dies auf natürlichem Wege also nicht erfolgt, müssten sie alle gedüngt werden.
    Doch: Kennen wir sie denn überhaupt in ihrer Gesamtheit?
    Wenn von Düngung die Rede ist, denkt man unwillkürlich an Stickstoff, der zusammen mit Phosphor, Kalium, Calcium und zum Teil auch Schwefel in ihren unterschiedlichen Verbindungen den Haupanteil regulärer Düngemittel stellt.
    Bei der weiteren Recherche stößt man noch auf Eisen und Magnesium, eventuell auf Kupfer, Mangan und Zink, dann aber wird es schon dünn.

    Aber kann das alles sein? Wirf einmal, mit .(Wort finden für ein System, das alle zur Verfügung stehenden Mittel/Komponenten mit einbezieht… im Hinterkopf, einen Blick ins Periodensystem der Elemente. Mit ziemlicher Sicherheit nutzt die Pflanze die vielen in der Erdkruste zu findenden Mineralien in deutlich breiterem Umfang.
    Es gibt zum Beispiel zahlreiche Hinweise darauf, dass Edelmetalle, wie Silber, Gold und Platin eine nicht zu unterschätzende Rolle im menschlichen Stoffwechsel spielen.
    So sind bei Arthrose die positiven Effekte von Gold seit langem bekannt, viele pharmazeutische Mittel enthalten Goldverbindungen, die nicht nur den Schmerz lindern, sondern auch Wachstumsfaktoren für bestimmte Zelltypen stimulieren und regulativ in die Immunfunktion eingreifen.
    Das wirft die Frage auf, ob bei hinreichender Versorgung mit diesem Element über die Nahrung die heute als „normale altersbedingte Verschleißerscheinung“ verkaufte Arthrose überhaupt ein derart großes Thema wäre und ob in einem „Goldmangel“ zumindest eine Teilursache hierfür zu finden sein könnte.

    Meine Großmutter wurde 97 Jahre alt, hat sich bis wenige Wochen vor ihrem Tod beinahe ohne Hilfe selbst versorgt (es wurde nur für sie eingekauft) und hat Haus und Garten im Griff gehabt. Sie arbeitete zudem ihr Leben lang körperlich schwer auf dem Feld, kümmerte sich um sieben Kinder und nicht wenige Nutztiere und hatte dabei sicher nicht immer eine physiologisch korrekte Haltung im Sinn!
    Dennoch hatte sie keine Arthrose oder wenigstens keine Beschwerden damit.
    Eine ganz so „normale“ Abnutzung ist das also bestimmt nicht.

    Aus der Relevanz der Edelmetalle für den menschlichen Metabolismus ist jedenfalls abzuleiten, dass sie auch in den Nahrungspflanzen des Menschen angereichert werden – oder wurden.

    Denn diese Metalle werden, weil sie irgendwann einmal als nicht essentiell eingestuft wurden, nicht gedüngt. Und das in den vielen Jahrzehnten der industriellen Landwirtschaft nicht. Die Böden sind an solchen Elementen, die ja auch in unberührter Erde nur in Spuren vorliegen, somit sehr wahrscheinlich verarmt.
    Auch im Stoffwechsel der Pflanzen selbst müssen die Edelmetalle, und neben ihnen wahrscheinlich weitere andere, eine Rolle spielen, denn sonst nähmen sie sie nicht auf.
    Das könnte eine der Ursachen für den Nährstoffverlust im Obst und Gemüse sein, denn obschon diese Elemente vielleicht nicht Teil der fehlenden Vitamine sind (selbst das ist nicht auszuschließen, denn bei Enzymen z.B. können fehlende Metallionen offenbar durch Ionen anderer Metalle ersetzt werden), haben sie möglicherweise Anteil an ihren Syntheseprozessen.

    Und gerade bei so selten vorkommenden Stoffen kommt der oben beschriebene Effekt der Bereitstellung durch Mikroorganismen sicherlich besonders zum Tragen, da das Wurzelwerk vermutlich nicht erschöpfend davon umgeben ist.

    Eben an diesem Punkt liegt, neben der mangelnden Rückführung entnommener Stoffe, die zweite Crux: Eine nicht mehr intakte Gemeinschaft an Bodenorganismen.

    Schäden am Edaphon

    Die industrielle Landwirtschaft hat so einige Faktoren im Angebot, die geeignet sind, das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems im Ackerboden zu stören.

    1. Düngung
    Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Düngemittel, denn schon hier liegt vieles im Argen.
    Da wäre etwa die Beeinträchtigung der eben angeführten symbiotischen Beziehung zwischen Pflanzen und Mikroorganismen. Nehmen wir als Beispiel die Düngung von Stickstoff: Die Pflanze ist nicht mehr angewiesen auf die Bereitstellung durch die Mikroben, sie sendet keine Signale aus und setzt auch keine Flüssigkeiten mit wertvollen Kohlenstoffverbindungen zur „Belohnung“ frei. Mikrobe und Pflanze müssen nicht mehr zusammenarbeiten, ihre Interaktion schläft praktisch ein.
    Nimmt der Stickstoffgehalt des Bodens ab, „hört“ die Mikrobe den „Ruf“ der Pflanze nicht mehr, denn sie verhungerte inzwischen (d.h. die Zusammensetzung des Edaphons hat sich zu Ungunsten der Pflanze verändert).

    Die Störanfälligkeit solcher Biozönosen liegt begründet in ihrer Komplexität. Sie entwickelten sich über extrem lange Zeiträume hinweg und beziehen eine gewaltige Zahl an Faktoren mit ein.
    Man kann sie sich vorstellen wie ein kolossales Uhrwerk, in welchem jedes Zahnrädchen richtig platziert sein muss, um das Funktionieren des gesamten Apparats zu gewährleisten. Fehlt auch nur eines, bricht alles zusammen.
    Genauso ist es mit dem Eingriff in hochgradig selbst-regulierende Ökosysteme. Die Bodenlebewesen befinden sich in einem vielfältigen Beziehungsgeflecht, sie kontrollieren sich über Konkurrenz- und Räuber-Beute-Verhältnisse gegenseitig in ihrem Bestand und unterstützen sich über diverse Symbiosen.
    Wird ein Element entnommen oder ein fremdes hinein geworfen, kippt die Balance.

    Dabei ist zu bedenken, dass geschätzte 90% der Arten an Mikroorganismen noch gar nicht entdeckt worden sind!
    Es fehlt uns also, verhalten gesagt, wohl lange noch die Kompetenz zu irgendwelchen Eingriffen.

    Statt dessen aber…

    Traktor Pestizide Artikel 'Das Edaphon'

    Nun ja, die Welt ist nicht perfekt.
    Glyphosat ist ein Beispiel für Substanzen, die den Düngemittelbedarf sogar noch steigern. Es ist ein Chelatbildner, das heißt es verbindet sich mit Metallen zu unlöslichen Komplexen. Diese Metalle stehen dann den Bodenlebewesen nicht mehr zur Verfügung.
    Mal ganz abgesehen davon natürlich, dass es als Biozid eben tötet!
    Ich habe bei der Aufzählung der für das Edaphon schädlichen Einflüsse ganz bewusst den Punkt „Pestizide“ weggelassen, weil es absolut selbstverständlich ist, dass chemische Erzeugnisse, die dafür vorgesehen sind, Insekten, Pflanzen oder andere Lebewesen abzutöten, auch in diesem Zusammenhang nicht ohne negative Auswirkung bleiben können.
    Wer glaubt, solche Mittel würden ganz spezifisch nur auf einen bestimmten Zielorganismus wirken und ihr Einsatz wäre damit gerechtfertigt, dem ist in meinen Augen sowieso nicht mehr zu helfen!
    Selbst wenn das der Fall wäre: Auch das Ausmerzen einer einzigen Art hat – wie gesagt – unweigerlich Konsequenzen für das Gesamtsystem.

    Klammer auf:

    Die Natur hat ausnahmslos Recht! Wenn also ein „Schädling“ (Was bitte soll das überhaupt sein?) ernsthaft die Ernten bedroht, dann hat der Mensch etwas falsch gemacht und sollte seine Methoden entsprechend anpassen, statt die chemische Keule herauszuholen und alles noch schlimmer zu machen!

    Klammer zu. 🙂

    Durch ein intelligentes Mischkultur-Design ließe sich der Stofftransport günstig beeinflussen und so der Bedarf an Düngemitteln senken, zum Beispiel durch die Kombination von Leguminosen, die mithilfe der symbiotischen Knöllchenbakterien den Boden mit Stickstoff anreichern, und Gräsern, die Phosphor im Umlauf halten.
    Dies führt auch gleich zum nächsten Punkt:

    Monokultur 'Das Edaphon'

    2. Monokultur
    Wächst nur eine einzige Art auf dem Acker, werden dem Boden sehr einseitig Nährstoffe entzogen, was zu Missverhältnissen auch in der Nahrungsgrundlage der Bodenbewohner führt. Dadurch leidet die Diversität des Edaphons, denn je nach Anspruch werden nun einzelne Arten benachteiligt.
    Eine veränderte Zusammensetzung der Bodenspezies wiederum hat zur Folge, dass die Produktion von Humus in’s Stocken gerät.
    Die Folge: Es wird mehr Humus verbraucht wird, als nachgebildet.

    Der Notstand an bestimmten Komponenten, der durch das partielle Auslaugen des Substrats entsteht, muss mittels starker Düngung ausgeglichen werden.
    Haben so eventuell auch unsere Vorfahren schon der einen oder anderen Hungersnot den Weg bereitet? Waren ihre Felder so ruiniert, dass sie kaum noch Erträge abwarfen?
    R. H. Francé jedenfalls äußert diese Vermutung mit dem gerechtfertigten Hinweis darauf, dass die Innovation der chemischen Düngung, allen voran die Herstellung von Ammoniak und daraus abgeleiteten Substanzen, dem Hunger in Europa Einhalt gebot.
    Er war deshalb ein großer Befürworter dieser Entwicklung, denn er lernte sich daraus ergebende Nachteile nicht mehr kennen, die erst in der heutigen Zeit so deutlich an die Oberfläche treten.

    Eine weitere Schwierigkeit, die gegen Monokulturen spricht, ist die Anfälligkeit für Schädlingsbefall, denn auf die jeweilige Feldfrucht spezialisierte Schädlinge können sich explosionsartig ausbreiten. Der Landwirt setzt Pestizide ein und wieder wird die Bodenfauna beeinträchtigt.
    In einer Mischkultur entstehen natürliche Barrieren für die Angreifer, die zu überwinden ihnen schwer fällt, weil bestimmte Pflanzen unangenehme Gerüche verströmen, für sie ungenießbar oder sogar giftig sind.
    Ein Großteil der in Monokultur angebauten Feldfrüchte bietet zudem Bestäuber-Insekten keine Nahrung. Ihre Anwesenheit wäre aber geeignet, Räuber, wie Raubinsekten und Vögel anzulocken, die wiederum auch Schädlinge effektiv in Schach halten.
    Auch vor diesem Hintergrund erwiesen sich Mischkulturen, in diesem Fall vielleicht mit Sonnenblumen, als hilfreich. Selbstverständlich stellt eine solche Anbaumethode hohe Ansprüche an den Landwirt, denn allein die Ernte wird zu einem herausfordernden Unterfangen.
    Aber unmöglich ist das nicht, und bei Eintreten einer gewissen Routine treten gewaltige Vorzüge zutage.

    Wer hierzu näheres erfahren möchte, dem sei nachdrücklich das Buch „Aus toten Böden wird fruchtbare Erde“ von Gabe Brown (Link Amazon) empfohlen, einem der Begründer der „regenerativen Landwirtschaft“ in den USA. Er, ehemals konventionell arbeitender Landwirt, schildert, mit welcher Gegenwehr durch Kollegen und Familie er bei seiner Neuorientierung zu kämpfen hatte und vermittelt ein tiefgehendes Verständnis von den Bedingungen und der Notwendigkeit eines natürlich gesunden Bodens.
    Insbesondere die Differenzierung zwischen „Gewinn“ und „Ertrag“ regt zum Nachdenken an, denn selbst bei einer Verringerung des Ertrags kann mit seiner Strategie der Profit, den das Land abwirft, über Einsparungen bei Pflanzenschutzmitteln, Maschinen und künstlichem Dünger deutlich erhöht werden.
    Sein Land ist in vielen Generationen industrieller Landwirtschaft vollkommen zugrunde gerichtet worden, die Böden waren buchstäblich tot.
    Mit ihrer Regeneration nahm auch die Nährstoffdichte der durch sie hervorgebrachten Feldfrüchte wieder zu.

    Sehr detailliert geht er auf die verschiedenen Schritte ein, die seinen Boden fruchtbarer machten und berichtet von den vielen Fehltritten, die seinen Lernprozess begleiteten – dadurch hat diese Lektüre einen starken Praxisbezug und verdeutlicht, dass eine solche Umstellung nicht im Handumdrehen vollzogen ist. Browns außergewöhnliche Erfolge sprechen jedoch für sich und sind geeignet, jedem Landwirt Mut zu machen, seinem Beispiel zu folgen.

    3. Bodenerosion
    Gerade hier in Brandenburg (ich bin ja Potsdamerin), wo viele Flächen wegen der geringen Niederschläge beinahe zur Steppe verkommen, überzeugt vor allem ein Resultat von Browns Strategie: Die bemerkenswerte Steigerung der Wasseraufnahmekapazität.
    Bei Regenfällen fließt ein Großteil des Wassers einfach davon und landet in der Kanalisation, weil die von den Böden ermöglichte Versickerungsgeschwindigkeit viel zu gering ist. Dabei werden auch Schadstoffe, wie Düngemittel- und Pestizidrückstände in umliegende Gewässer geschwemmt, was eine messbare Beeinträchtigung der dortigen Wasserqualität nach sich zieht.
    Effekte wie die Phosphat-induzierte Algenblüte, die zur erheblichen Abnahme der Sauerstoffkonzentration in stehenden Gewässern und somit zum Absterben von Fischen und anderen Lebewesen führt, oder die Nitratbelastung des Grundwassers durch Stickstoffdüngung werden zunehmend problematisch.
    Hier gilt es, den „effektiven Niederschlag“, das heißt, die in einem bestimmten Zeitabschnitt auf einer festgelegten Fläche aufgenommene Wassermenge, zu steigern. So konnte Brown (nochmal derselbe Link Amazon) auf seinem Land eine Anhebung der Wasserabsorption von 13mm pro Stunde im Jahre 1991 auf 50mm in 25 Sekunden im Jahr 2015 erreichen!!! Ein absolut sensationelles Ergebnis mit entsprechender Auswirkung auf Ernte, Ertrag und Gewinn.

    Bodenerosion 'Das Edaphon'

    Neben dem Wasserverlust werden durch Regenerosion im Laufe der Zeit wertvolle Teile des oberen Erdreichs abgetragen.
    Wie kommt es dazu?
    Die Erde eines auf herkömmliche Weise bewirtschafteten Ackers ist für einen nicht unerheblichen Teil des Jahres unbedeckt, sie ist völlig nackt Sonne und Wind ausgesetzt.

    Naturbelassene Böden sind immer lückenlos bedeckt von organischem Material. Lebende Pflanzen spenden Schatten und halten die obere Erdschicht durch ihr Wurzelwerk fest. Abgestorbene Pflanzen schützen ebenso vor der Witterung und bieten zudem den Destruenten Nahrung, angefangen bei Regenwürmern bis hin zu den Mikroben. Die von unzähligen Röhrchen durchdrungene humöse Schicht, die diesen gesunden Boden auszeichnet, nimmt einfallendes Wasser viel besser auf, zumal der Regen auch nicht mit voller Kraft auf das Erdreich prasselt, sondern von den Komponenten darüber abgedämpft und fein verteilt wird.
    Weiterhin wichtig ist, dass auch schnelle Verdunstung verhindert wird!
    (Da die Humusschicht mit ihren zahllosen Hohlräumen aber von den Bodenlebewesen hervorgebracht wird, verringert jeder Einfluss, der dieser Gemeinschaft schadet, auch die Sickerfähigkeit und das Fassungsvermögen für Wasser. Es ist ein rückgekoppelter Teufelskreis: Das Freiliegen und Abtragen (=Erosion) des Bodens schadet dem Edaphon und dies wieder begünstigt die Bodenerosion. )

    Als ich kürzlich zu Besuch bei Verwandten im Raum Dresden war, spazierten wir an einem kahlen Feld vorbei, auf dem ein Traktor sein Unwesen trieb. Als der Wind drehte, wurden wir plötzlich von einer Staubwolke eingehüllt, das Atmen fiel schwer und die Augen brannten. Auch der Wind trägt ungeschützten Boden ab.
    So ist es von der Natur nicht gedacht!
    Der Landwirt schafft, ohne es zu wollen, lebensfeindliche Bedingungen für die Bodenorgansimen, was indes zur Verstärkung genannter Effekte führt.

    4. Mechanische Bearbeitung
    Dieser Kritikpunkt stößt in der Regel, das jedenfalls ist meine Erfahrung, auf das größte Unverständnis.
    Man wird immer wieder mit dem Argument der Bodenbelüftung konfrontiert und garantiert damit, dass auch die Bauern in früheren Zeiten das ja immer schon so machten.

    Pflug reisst Acker auf 'Das Edaphon'

    Letzteres lässt sich mit dem oben bereits angedeuteten Hinweis entkräften, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder zu Hungersnöten kam, die auf unfruchtbares Ackerland zurückzuführen waren. Offensichtlich war also nicht alles, was man früher tat, immer auch richtig.
    Was die Belüftung betrifft, sei angemerkt, dass im Durchschnitt gerade die oberen 10 cm Erde von aeroben, also Sauerstoff verstoffwechselnden Mikroorganismen besiedelt werden – darunter beginnt das Reich der Anaerobier.
    Es ist nicht nur so, dass diese keinen Sauerstoff brauchen, sondern sie vertragen dieses eigentlich toxische Element nicht!
    Kommen sie damit in Kontakt, sterben sie ab.
    Für Bodengesundheit und Humusbildung ist die regelrechte (An-) Ordnung der Bodenorganismen wesentlich, werden sie wahllos durchmischt, weil der Pflug den Boden bis zu einem halben Meter tief (!) aufreißt, leidet die Fruchtbarkeit massiv.

    Das Einbringen von Sauerstoff ist aus einem weiteren Grund überhaupt nicht zielführend: Durch seine Anreicherung wird die Proliferation (Teilung und Wachstum) von Bakterienarten begünstigt, die sich von den kohlenstoffbasierten Klebstoffen ernähren, welche durch das Zusammenhalten der Mikro- und Makroaggregate (Bodenbestandteile aus z.B. Ton, Sand und Schluff) für die Krümelstruktur eines fruchtbaren Bodens verantwortlich sind.
    Zerfällt dieser geordnete Verbund, verfestigt sich der Boden und nun kann die Belüftung auch der Bodenschichten nicht mehr stattfinden, in denen aerobe Bedingungen herrschen sollten.
    Genau das Gegenteil des Beabsichtigten wird also durch das Pflügen erreicht.

    Natürlich soll es auch eine Auflockerung des festen Erdreichs bewirken, aber ein gesunder Boden ist von sich aus locker!
    Verdichtet wird er erst durch oben dargestellte Maßnahmen, und durch die Bearbeitung mit tonnenschweren Fahrzeugen.

    (Hier noch Infos zu Browns Methoden einfügen, Kombination Ackerbau und Viehhaltung, Bodenuntersuchungen (S.223), Fruchtfolgepläne, Zwischenfrüchte etc. – dann noch Gefahren aufzählen, wenn wir weitermachen, wie bisher – irgendwie Übergang gestalten zum Fazit)

    Fazit

    Eines ist klar: Die Zeit drängt!
    Immer größere Flächen fruchtbaren Bodens werden durch die moderne Landwirtschaft zerstört. Es sind Wunden in der Haut der Erde, die dringend geheilt werden müssen.
    Alle Welt redet vom Klimawandel und der Erforderlichkeit, atmosphärisches CO2 zu reduzieren, obwohl sich dieses Problem (sofern es denn tatsächlich hier liegt) allein durch Regeneration der kranken Böden lösen ließe. Ein wirklich gesunder Boden und die natürlich auf ihm wachsenden Pflanzen verfügen über eine überragende Bindungskapazität für dieses angeblich vernichtende „Klimagas“, doch statt sie zu kurieren, werden immer mehr Wälder und Moore dem einseitigen Anbau nährwertloser Feldfrüchte geopfert.
    Zumal die industrielle Landwirtschaft durch Stickstoffdüngung die Entstehung beachtlicher Mengen an Distickstoffmonoxid (N2O=Lachgas) provoziert, ein Stoff mit einem 300x höheren Treibhaus-Effekt als CO2.
    (Ein Schelm, wer wirtschaftliche Interessen hinter der Klimapolitik vermutet…)

    Es muss etwas passieren, denn wie sagte schon Francé seinerzeit:

    „Die ganz dünne Decke zwischen dem Grundwasserspiegel und dem grünen Pflanzenkleid, das ist der Reichtum eines Landes. Davon, wie sie beschaffen ist, hängt der Wohlstand […] die Zivilisation der Bevölkerung, die ganze Art ihrer Kultur ab.“

    Und dass der Verlust der fruchtbaren Erde in der Tat ganze Kulturen hat verschwinden lassen, stellt ausführlich Dr. David Montgomery in dem Buch „Dreck: Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert“ dar. (Link Amazon)
    Bisher habe ich selbst es nicht gelesen, hole dieses Versäumnis aber in Kürze nach.

    Ich werde berichten. 🙂

    Es wurde nun – so hoffe ich – auch klarer, warum tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Art der Landwirtschaft in der „zivilisierten Welt“ und der Verbreitung der hier typischen Erkrankungen bestehen könnte.
    Der durch Raubbau an der Natur bewirkte (kurzfristige) Überfluss schließt eben nicht den Mangel in der menschlichen Ernährung aus, sondern begünstigt ihn sogar.
    Und obwohl aufgrund wirtschaftlicher Missverhältnisse sicher nicht jede Region der Welt, die diesen Raubbau betreibt, auch am resultierenden Überfluss „leidet“, herrschen dort, wenn auch nicht in demselben Ausmaß, sehr wohl dieselben Krankheitsbilder vor. (jemanden darüber lesen lassen, um zu ermitteln, ob Zusammenhang klar)

    Der von Gabe Brown und anderen Pionieren beschrittene Weg könnte eine Möglichkeit sein, dieser Misere zu entkommen.

    Weil ich aber möchte, dass Du mich mit einem Kichern statt mit Bauchweh verlässt, schließe ich mit einem Gedicht einer lieben Freundin:

    Aus meinem Reich der Gundelreben,
    wo allweil bei den hohen Fichten
    die Spinnentiere Räder weben,
    will ich euch heute dies berichten:

    Auf einer satten Sommerwiese
    schwang leise eine Sommerbrise,
    strich über Halme, über Ähren,
    ins weite Rund aus blauen Sphären.

    Und mittendrin schwamm sacht ein Reh.
    Die Ohren zuckten wie mein Zeh,
    der eine Fliege jäh verjagte,
    wo er aus trocknem Grase ragte.

    Ich war von diesem Bild verzückt,
    wie stets von dem Idyll beglückt,
    bis nebenan ein Trecker fauchte
    und Scheiße auf den Acker jauchte.


    von Lotta Manguetti (Link zu Silke)